Das Revier- und Jagdverhalten der Stubentiger: ihr Revier umfasst bis zu 100.000 m2

Das Jagd- und Revierverhalten unserer Stubentiger
(c) Photo: KaKnogler auf Pixabay
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Verhalten, Jagd, Revier, Mag.a Ingrid Harant

  • von Mag.a Ingrid Harant, 1. Wiener Katzenambulanz 
  • Zehn bis fünfzehn Mäuse fängt eine freilebende Katze am Tag - also 4.000 -6.000 pro Jahr  
  • Was man über das Zusammenleben mit Katzen wissen sollte. 
  • Wer das angeborene Revier-und Jagdverhalten von Katzen kennt, kann das Mensch-Katzen-Zuhause optimal gestalten.

Katzen sind territorial und sehr gute Jäger.

Ihr Revier umfasst, wenn sie auch oder nur im Freien leben, meist fünf bis zehn Hektar, also bis zu 100.000 m2. Manche Gebiete sind durch Revierüberschneidungen allerdings erheblich kleiner.

Ihr Territorium teilt sich die Katze in mehrere Zonen:

Der innerste Bezirk ist das Wohlfühlzuhause zum Schlafen, Entspannen und Faulenzen. Das daran anschließende Areal dient Patrouillengängen, die Katze kennt dort jeden Quadratmeter. Hier sind noch Entspannung und Siesta, aber es ist kein komplettes Relaxen mehr möglich. Darum herum befindet sich schließlich das Streif- und Jagdgebiet mit mehreren Gewohnheitspfaden.

Durch Markierungen an Reviergrenzen und häufig benutzten Wegen wird das Areal anderen Katzen gegenüber als „Eigenbesitz“ gekennzeichnet, strukturiert und „beschrieben“, sodass sich der/die Revierbesitzer_in überall wohl fühlt und zurechtfindet. Allerdings gibt es mit einander befreundete Katzen, die jederzeit oder zeitversetzt Zutritt zum Areal der Freundin oder des Freunds haben sowie solche mit Wegerecht, denen immerhin ungehinderter Durchgang gestattet ist.

Viele Outdoor-Katzen bedienen sich auch unverscharrten Kots als weithin riechbare Markierung. Er wird vorzugsweise an gut sichtbaren Stellen und von meist selbstsicheren Katern oder Kätzinnen abgesetzt, jedoch nicht im zentralen Wohlfühlbereich - schließlich möchten auch Tiere nicht im Gestank leben.

Aus dem Revierhalten erklärt sich, warum manche Wohnungskatzen bei Arealen mit beschränktem Zugang - etwa einem Balkon - gerne „Tür auf-Tür zu“ spielen. Das Hinaus- und sofortige wieder Hineinwollen ist ein Bedürfnis nach häufiger Kontrolle.

Ritsch-Ratsch, Kratz-Kratz: das ist mein Territorium!

Dass teure Stil- und Designermöbel in einem Katzenhaushalt eher fehl am Platz sind, sollte KatzenhalterInnen klar sein. Denn durch das Kratzen am Kratzbaum oder an Einrichtungsgegenständen werden nicht nur die Krallen gesäubert, geschärft und alte Hornspitzen entfernt. Durch Kratzen wird auch das Territorium gekennzeichnet und mittels der Duftdrüsen auf den Pfotenballen markiert. Zusätzlich setzt das Zerfetzen von - tja, Postermöbeln - oder im Freien von Baumrinden das optische Signal: „Dieses Revier gehört mir!“

My home is my castle: im Zentrum der Kratzbaum

Damit Wohnungskatzen all diese Bedürfnisse ausleben können, ist ein Kratzbaum unverzichtbar. Aber: Er muss sich an zentraler Stelle befinden - und es müssen sich gut sichtbare Kratzmarkierungen anbringen lassen. Zudem muss mindestens eine der Säulen hoch genug sein, damit die Tiere beim Kratzen ihren Rücken genussvoll „lang machen“ können. Das dient nicht nur der Rückengymnastik, sondern auch dem Prestige: Je höher eine Markierung gesetzt ist desto mächtiger der/die Revierbesitzer_in. Nicht zuletzt wird mit kräftigem Krallenschärfen auch den Artgenossen imponiert.

Zu den sanfteren Arten, „Eigentumsansprüche“ zu demonstrieren zählen Flankenreiben und Köpfchengeben. Dabei werden Wohlfühlgerüche (Pheromonen) auf Gegenständen, anderen Tieren oder Menschen verteilt. Deshalb streichen uns unsere Lieben gerne um die Beine und reiben ihr Köpfchen an Türstöcken, Sesselbeinen und ähnlichem.

Hallali, Hallala: auch Wohnungskatzen sind auf der jagd

Der Jagdtrieb ist Katzen angeboren, allerdings - was bei Couchpotatoes deutlich wird - unterschiedlich stark. Suchen, auflauern, anschleichen, mit den Pfoten fangen und festhalten, zubeißen und töten lautet die gesamte, instinktgesteuerte Verhaltenssequenz. Sie wird durch Training optimiert.

So üben die Jungtiere durch Nackenbissspiele, das Opfer am Hals zu packen und zuzubeißen. Im Ernstfall dann die richtige Stelle zu treffen, beruht auf optischer Orientierung, die Bissstärke auf Erfahrung und Übung. Denn die Katze beißt nicht die Wirbel der Maus durch - dafür reicht die Kieferkraft nicht -, sondern die Fangzähne rutschen zwischen die Wirbel und zerreißen die Nervenverbindung.

Zehn bis fünfzehn Mäuse fängt eine freilebende Katze am Tag - also 4.000 -6.000 pro Jahr - und das braucht Geduld. Ältere, geübtere Katzen wissen daher: Sie müssen stillsitzend und scharf beobachtend warten, damit die Maus von ihrem Loch weit genug entfernt ist, um nicht wieder in dieses zu verschwinden.  Und auch wenn Katzen oft freundschaftlichen Umgang mit einander haben - gejagt und gefressen wird, da die Beutetiere ja klein sind, ausschließlich allein.

Auf die viel schwerer zu erwischenden Vögel wird übrigens nur im Notfall Jagd gemacht, etwa wenn in einem stark besiedelten Gebiet zu wenig Mäuse leben, oder wenn sich gut genährte Freigänger als Raubtiere versuchen. Meist sind es junge, kranke oder verletzte Vögel, die den Katzen zum Opfer fallen.

Die Jagdleidenschaft bleibt auch Wohnungskatzen erhalten. Entdeckt eine Katze etwa durchs Fenster ein Beutetier und ist frustriert, weil es sich außerhalb ihrer Reichweite befindet, beginnt sie zu schnattern. Dieses Schnattern ist wie ein Tötungsbiss auf Distanz - der Reiz ist so stark, dass die Instinkthandlung des Zubeißens ausgeführt werden muss.

Makabrer Spaß

Dem Spiel mit der lebenden Beute frönen meist nur ausreichend gefütterte Stubentiger, die Jagdspaß haben wollen - oder Jungtiere, die immer wieder mit den Pfoten hinschlagen, um das Opfer zu ermüden und gefahrenlos fassen zu können. Schließlich kann eine panische Maus einer ungeschickten Katze ordentlich ins Gesicht beißen.

Mit dem bereits toten Beutetier zu spielen dient hingegen der Entspannung und dem Adrenalinabbau. Meist machen das Katzen, die nicht wirklich hungrig sind - nur liegen lassen wollen sie die Beute aber auch nicht.

Glückliche Stubentiger: Instinkte müssen respektiert werden

Für Wohnungskatzen bedeutet das alles:

Katzen, die dafür geeignet sind, können sich selbst in kleineren Wohnungen wohl fühlen - vorausgesetzt, dass ihre Instinkte und Bedürfnisse respektiert werden, es keine Katzen-Überpopulation, dafür aber Versteck-, (höhergelegene) Liege-, störungsfreien Futterplätzen und einen katzengerechten Kratzbaum gibt.  Der „innerste Katzenbezirk“ ist dann das Bett oder Sofa.

Auch ist vieles, was in der freien Natur gilt, ist auf Mehrkatzenhaushalte übertragbar:

etwa die Tiere nicht neben einander oder aus dem gleichen Napf fressen zu lassen; für viele bedeutet das Stress. Zudem sollten die Futterportionen klein sein und über den Tag verteilt werden - es werden schließlich auch nicht mehrere Mäuse auf einmal gefressen. Auch regelmäßige interaktive Jagdspiele mit Plüschmäusen und Trockenfutterstückchen sollten   selbstverständlich sein.  Und auch wenn Katzen oft anpassungsfähig sind - wichtiger ist, dass sich der Mensch ihnen anpasst. Er ist schließlich für das perfekte Mensch-Katzen-Zuhause zuständig.

 

Dieser Beitrag von Mag. Ingrid Harant ist im Monatsmagazin „Tierfreund“ des Tierschutz Austria (ehemals WTV, Wiener Tierschutzverein) erschienen. Wir dürfen ihn mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des WTV übernehmen.

 

Mag. Ingrid Harant ist Tierärztin und Gründerin der 1. Wiener Katzenambulanz. Sie schreibt über medizinische Themen und über das Verhalten von Katzen.

                                                       

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