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Von der Zerbrechlichkeit der Katzenseele

Von Petra Ott

Puma hat Glück. Er lebt in einem schönen Haus mit Garten. Seine Katzeneltern lieben und verwöhnen ihn, spielen mit ihm. Er ist ein aufgeweckter, verschmuster Kater. Im Keller des Hauses hat er seinen Rückzugsraum. Das Leben ist schön. Doch eines Tages ist plötzlich alles anders.

 

Die Katzeneltern sind gerade von einer längeren Reise zurückgekommen. Im Garten eine fremde Katze. Pumas erste Rauferei. Er zieht offensichtlich den Kürzeren und der Trost funktioniert nicht. Puma ist wie verwandelt. Er kommt her, ist aber gleichzeitig ängstlich und aggressiv, wehrt Liebkosungen ab. Beißt in die Hand und kratzt. Nicht spielerisch, sondern richtig böse. Die Zeit heilt nichts. Die Sache wird schlimmer. Sehr viel und sehr rasch schlimmer. Im Haus beginnt es zu stinken. Nach Katzenurin.
 

Die erste Begegnung

Katze und Katzeneltern sind verzweifelt und rufen mich zu Hilfe. Kaum bin ich im Vorraum schießt Puma auf mich zu, schmiert um meine Beine und miaut los. Ein Angriffston. Ganz eindeutig. Während meiner Praktikumszeit hat mich einmal eine Katze krankenhausreif hergerichtet. Diese Lektion habe ich gelernt. Keine falsche Bewegung jetzt. Nicht hinunter greifen. Nicht streicheln oder beruhigen wollen. Das kommt nicht an. Ich spreche mit der Dame des Hauses. Schaue sie und nicht die Katze an. Puma ergreift die Chance, mental loslassen zu dürfen. Er weicht zurück und fixiert mich aus der Entfernung.
 
Wir gehen durchs Haus. Ich lasse mir Pumas Geschichte erzählen. Jene vom Überfall der fremden Katze im Garten, von der Veränderung des Verhaltens. Ich frage viele Details nach. Besonders was die Körpersprache betrifft, weil einzelne Signale nicht immer eindeutig sind und erst im Zusammenspiel einen klaren Sinn ergeben. Ein hoch erhobener Schwanz drückt an sich Freude aus, aber wenn Dynamik und Lautgebung etwas ganz anderes sagen, dann ist der steil aufgestellte Schwanz auch eine Drohung.
 

Puma uriniert im ganzen Haus

Pumas Katzeneltern zeigen mir das Haus und die Stellen, an denen Puma uriniert. Sogar und anscheinend ganz besonders im Keller, seinem Rückzugsort. Und immer wieder auf einige Paar Gummistiefel, die dort stehen. Abgestellt nach der Rückkehr von der Reise, als Puma erstmals so aufgebracht reagierte. „Was sind das für Stiefel?“ frage ich und ahne die Antwort, die auch prompt kommt. „Wir waren auf einer Wildtier-Safari. Die Stiefel haben wir dort getragen.“ erzählen die Katzeneltern und erkennen schon während der Erzählung, was sie vorher nicht gesehen haben.
 
Das ist unser Ausgangspunkt. Der Überfall im Garten und das fremde Tier in Pumas Rückzugsgebiet, das sich nicht und nicht vertreiben lässt, egal wie oft man drauf pinkelt. Katzen riechen sehr gut. 40mal besser als der Mensch. Der Geruch des unbekannten Tieres muss für Puma überwältigend sein und der Verlust seines Rückzugsortes ein echtes Trauma.
 
Wir beschließen deshalb, den Keller für Puma zu sperren und ihm andere Rückzugsorte anzubieten. Die Alternative wäre gewesen, die Stiefel wegzuräumen und den Keller für Puma wieder benutzbar zu machen. Ich bin allerdings der Ansicht, dass sich Puma mit der ersten Variante leichter tun wird. Es ist ohnehin schwierig genug. Wir gehen durchs Haus und suchen Rückzugsorte von denen Puma einige akzeptieren sollte. Dabei ist vieles zu beachten. Weit genug weg, um Ruhe zu haben, aber gleichzeitig nahe genug, um nicht ausgeschlossen zu sein. Ruhig, aber nicht einsam. Und vieles mehr.
 

Schlaf und soziale Kontakte

Katzen haben neben anderen zwei Grundbedürfnisse: erstens schlafen, zweitens Sozialkontakte.
Erstens:Katzen müssen bis zu 18 Stunden schlafen. Senioren sogar bis zu 20 Stunden. Diese Schlafenszeit beinhaltet nicht nur die REM-Phase, in der unsere Stubentiger träumen und mit den Wimpern klimpern und die Pfötchen laufen, sondern auch die Döse-Phase. Hier ist das Gesicht entspannt, die Ohren sind leicht zur Seite geneigt, die Augen sind schlitzförmig und der Körper ist tiefenentspannt. Diese Schlafenszeit sollte von jedem im Haushalt lebenden Individuum respektiert werden. Streicheln verboten.  Das weckt auf.  Wenn die Katze bei allen Liebesanfällen ihrer HalterInnen gestört wird, dann wird sie auch im wahrsten Sinne des Wortes gestört. Wenn Ihre Katze gerne einmal ein Nickerchen macht, lassen Sie es zu und hindern Sie auch andere Fellnasen daran, dies zu unterbrechen.
 
Zweitens:  Katzen brauchen Sozialkontakt, mit Menschen oder mit Tieren. Viele meiner Kunden sagen, ach ich bin ja nur der Dosenöffner. Bitte, das stimmt nicht. Unsere Katzen sehen uns als ihren wichtigsten Kontaktpartner an. Sie stehen in unserer Obhut und sind auf uns angewiesen. Wir beschützen sie, geben ihnen ihr Futter, pflegen sie und halten ihre Umgebung sauber. Zudem kuscheln wir mit ihnen und kraulen sie an Stellen, wo sie es gerne möchten.
 

Katzenliebe voller Missverständnisse

Aber manches kommt bei der Katze anders an, als es von uns gemeint ist. Beispiel: „Bauchi wuseln“. Die Katze wirft sich vor uns hin, zeigt uns die Bauchseite und wir Menschen denken, dass sie auf dem Bauch gestreichelt werden möchte. Leider falsch. Eine Katze kann sich aus mehreren Gründen auf den Rücken legen. Entweder sie drückt ein Wohlgefühl damit aus oder sie ist in der Abwehrstellung. Beides sagt aber nicht aus „komm, wusel mir den Bauch!“ Viele Katzen mögen das nicht, weil die Zone unter dem Rippenbogen einen gefährlichen Angriffspunkt darstellt. Genauso ist es mit dem „Köpfchen geben“. Wenn Ihre Katze zu Ihnen schmusen kommt, dann tut ihr das gut. Wenn aber Sie mit Ihrem Kopf den Kopf der Katze berühren, fasst die Katze das wahrscheinlich als Angriff auf.
 

Katzen zeigen ihr Unbehagen nicht sofort

Das Problem ist: Unsere Stubentiger sagen nicht, ich mag das nicht. Katzen gehen nicht gleich weg oder pratzeln sofort zurück. Damit erkennt der Mensch nicht gleich, in welcher Schwierigkeit sich seine Katze befindet. So kommt es, dass man mit seiner Katze kämpft, ohne es zu wissen. Nicht einmal auf das Schnurren ist Verlass. Nicht immer wenn die Katze schnurrt, gefällt ihr das, was wir gerade tun. Ein Schnurren kann auch Angst, Stress und Schmerzen bedeuten. Zu erkennen ist das an der Intension des Tones. Aber das bedarf schon einiger Übung.
 
Puma passt genau ins Schema. Eine Verkettung unglücklicher Zufälle und laufende Missverständnisse in der Kommunikation. Er sucht die Nähe zu seinen Beschützern, kann diese dann aber nicht ertragen und wehrt ab. Klar, dass daraus ein furchtbarer Ausnahmezustand entsteht, der immer schlimmer wird.
 

Vertrauen ist der Schlüssel

Also suchen wir nach Möglichkeiten der Beschäftigung, nach geeigneten Spielen mit dem Ziel, den Sozialkontakt mit seinen Katzeneltern wieder herzustellen und Vertrauen aufzubauen. Beim Spielen ist in solchen Ausnahmezuständen große Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Katzen reagieren anders als Hunde. Was für einen Hund noch ein aufregendes Abenteuer und eine tolle Unterhaltung darstellt, ist für die Katze sehr oft schon ein gefährlicher Angriff oder zumindest ein extrem unangenehmes Erlebnis. Wir erstellen also einen adäquaten Spielekatalog und eine Spielanleitung, um diesen Kontakt zwischen Tier und Mensch ganz behutsam wieder aufzubauen.
 
Inzwischen ist ein halbes Jahr vergangen und offensichtlich sind wir auf einem guten Weg. Puma ist ruhiger und stabiler geworden. Es gibt keine Attacken mehr. Aber bis er wieder die sonnige und liebe Katze von früher ist, werden wir noch arbeiten müssen. Erreichbar ist dieses Ziel aber ganz sicher.
 

www.petraott.com

Katzencoach Petra Ott übersetzt, was die Katze Ihnen sagen will.

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