Medical Training am Beispiel Kinntarget

Wie der Hund lernt, Unangenehmes leichter zu akzeptieren
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Medical Training/Irene Husczawa/Kynolearn - update: 12/04/20

  • Pflegemaßnahmen wie Krallen schneiden oder bürsten und Besuche beim Tierarzt trainieren
  • So gestalten, dass sie so stressfrei und so angenehm wie möglich ablaufen.
  • Frei nach dem Motto: Erwarte nichts, was du nicht trainiert hast.


Viele Tiere haben Angst vor dem Tierarzt, haben möglicherweise bereits schlechte Erfahrungen gemacht oder lassen sich grundsätzlich nicht gerne anfassen. Durch gezieltes Training kann hier die Erwartungshaltung positiv verändert werden. Was im Zootierbereich schon seit Jahrzehnten üblich ist gewinnt in der Hundeszene immer mehr Bedeutung.
 
Es ist nicht selbstverständlich, dass Hunde Behandlungen und möglicherweise schmerzhafte Eingriffe über sich ergehen lassen:

  • Da unsere Hunde nicht mit uns sprechen können, ist es wichtig die Körpersprache richtig deuten zu können und
  • so auf die ersten Anzeichen von Unwohlsein reagieren zu können.
  • Und nicht zu vergessen, dass wir auch auf unsere eigene Körpersprache achten und nicht bedrohlich auf den Hund wirken.

1. Training lohnt sich

Durch Training lernt der Hund in kleinen Schritten und kann sich auf die Situation einstellen. So erhöhen wir die Kooperationsbereitschaft und stärken Vertrauen und Bindung zum Besitzer. Der Hund kann selbst entscheiden, wann er in einer Situation bereit ist. Er lernt, dass er mit seinem Verhalten die Behandlung beeinflussen kann und auch mal Stopp sagen kann, wenn ihm etwas zu viel wird.
 
Der Hund wird zu keiner Behandlung einfach gezwungen oder fixiert. Unangenehme Dinge können angekündigt werden. Das reduziert den Stress einer Behandlung enorm.
Die medizinische und körperliche Versorgung kann so viel unkomplizierter und schneller erfolgen.

2. Mit Kooperation zum Erfolg

Mit sogenannten Kooperationssignalen haben wir hilfreiche Trainingswerkzeuge, die notwendige Maßnahmen und Kontrollen entspannter und somit unkomplizierter ablaufen lassen.

Welche Signale für den eigenen Hund nützlich sind, ist immer eine individuelle Sache, die anhand der notwendigen (Fell-)Pflege und möglichen Vorerfahrungen variieren kann. Folgende Kooperationssignale sind in der Regel hilfreich und vielfältig nutzbar:

  •      Deckentraining
  •      Nasen- oder Kinntarget
  •      Seitenlage oder auch 
  •      das sogenannte Bucket Game.

3. Das Kinntarget

Wir benötigen:

  1. ein kleines Tuch,
  2. einen Waschlappen oder etwas Ähnliches und
  3. viele kleine, besonders tolle Leckerchen.

Wir schauen uns in der Folge eine von mehreren Möglichkeiten an, wie das Verhalten aufgebaut werden kann:

  1. Schritt: wir legen uns das Tuch auf die flache Hand und halten es unserem Hund hin. Die meisten Hunde werden mit der Nase daran gehen, um zu sehen was es ist. In dem Moment wo der Hund mit der Nase zum Tuch geht oder es sogar berührt bekommt der Hund die Belohnung. Sollte der Hund sich nicht annähern, kann man auch anfangs als Hilfe ein Leckerchen auf dem Tuch platzieren.
  2. Schritt: im nächsten Schritt bekommt der Hund das Leckerchen dafür, dass er das Kinn vollständig auf dem Tuch ablegt. Wenn der Hund den Kopf verlässlich ablegen kann, beginnen wir die Zeit bis das Leckerchen kommt, etwas zu verzögern. Anfangs sind das nur 1-2 Sekunden.
  3. Schritt: sobald das Ablegen des Kopfes auf dem Tuch in der Hand zuverlässig funktioniert, kann man das Tuch auch an anderen Stellen platzieren, zB. auf dem Oberschenkel oder einem Sessel. Wenn der Hund sich dabei anfangs noch schwertut, kann die flache Hand hier noch darunter liegen.
  4. Schritt: wenn der Hund sein Kinn an unterschiedlichen Stellen auf das Tuch legen kann, starten wir damit, Ablenkungen bzw. Bewegungen einzubauen. Der Hund legt seinen Kopf auf das Tuch und man hebt zB. langsam den Arm ein Stück. Bleibt der Hund liegen, bekommt er ein Leckerchen. Hebt er den Kopf, starten wir von neuem. Achtung: die Bewegungen sollten anfangs nur so klein sein, dass der Hund auch liegen bleiben kann.
  5. Wenn Bewegungen schon gut klappen, kann auch mit den ersten Berührungen begonnen werden.

In kleinen Schritten kommen wir so zu einem schönen Kooperationsverhalten: Wenn der Hund das Signal ausführen kann, zeigt das, dass er bereit ist mitzumachen. Das wichtigste hier ist, dass der Hund die Sicherheit hat, wenn er das Signal beendet, also das Kinn von der Hand nimmt, ist die Manipulation zu Ende.

Diese Kooperationssignale können im Alltag spielerisch erlernt werden und fördern so auch die geistige Auslastung. So kann jede Behandlung mit spaßigen Tricks und Training verbunden werden. Ein schöner Nebeneffekt: Das Training ist zeitgleich auch eine wertvolle Beschäftigung für den Hund.

 
Über Irene Husczawa

Irene Husczawa ist tierschutzqualifizierte Hundeverhaltensberaterin, Prüferin für den Wiener Hundeführschein (Geprüfter Stadthund) sowie für den Sachkundenachweis in Wien und Niederösterreich. Als aktives Mitglied verschiedener Netzwerke (VÖHT, Trainieren statt Dominieren, Tierschutzhund.info) setzt sie sich für einen modernen Umgang mit Hunden ein. Seit 2015 ist Irene Husczawa mit „kynolearn“ als selbständige Hundetrainerin mobil unterwegs um Menschen mit ihren Hunden zu unterstützen. Weiters hält sie regelmäßig Vorträge und Seminare zu unterschiedlichen Themen.

www.kynolearn.at
kontakt@kynolearn.at
www.facebook.com/kynolearn


Weiterführende Buchtipps: 

  • „Calming Signals“, Turid Rugaas
  • „Medical Training“, Anna Oblasser-Mirtl, Barbara Glatz

 

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