Der Dackel und der Amsel Tod

Amseltod artikel
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Von Dr. Eva Christina Grafl-Tendl

 

Es ist ein Drama. Ja, wirklich, Corona ist schlimm. Irgendwie schaff ich es aber auch in diesen aktuell sehr eigenartigen Zeiten, dass mir Morbidität und Sarkasmus vorgeworfen werden, und ich versteh es nicht, warum.

Ich meine, das Leben geht ja auch irgendwie weiter. Und am Land, im Tierärzteeigenheim, da merken wir nicht viel von Corona. Die Schweine grunzen zufrieden vor sich hin, die Bäume verwehen ihre Pollen, die Bienen summen durch die Gegend, unser dicker Dackel schnüffelt fröhlich durch den Garten und die Vögel zwitschern.

So auch heute früh. Ein Vögelchen zwitschert. Nein, es piepst. Es schreit förmlich.

Moment.

Das kann nichts Gutes heißen. In mir erwacht die Retterin. Die systemrelevante Tierärztinsuperwoman. Ein Vögelchen braucht Hilfe. Und tatsächlich. In den Stall des Tierärzteeigenheims hat sich eine jugendliche Amsel verirrt. Und flattert panisch piepsend herum.

Kein Problem für Tierärztinsuperwoman - mein Mann, im Moment im Home Office, wird als Assistent eingespannt (“Oida, stell dich doch nicht so deppert, so eine kleine Amsel frisst dich doch nicht auf!” - “Geh gusch, ich bin halt kein Tierarzt!” - “Ja, und deshalb bist du gehirnamputiert oder was?” - “Du bist NICHT freundlich.” - “Und du bist debil, offensichtlich.”) und während dieses kleinen, ehelichen Wortgeplänkels rette ich das Amselpubertier und komplementiere es ins Freie. Und setze es in einen Busch.

Das Amselpubertier wittert die Freiheit. Und startet durch. Und stürzt ab.

Keine Zeit, mit dem Ehemann weiterzuflirten und meinen Heiligenschein als systemrelevante Amselretterin zu genießen. Denn der dicke Dackel startet ebenfalls durch. Und zeigt, wie sich sehr viel dicker Dackel auf sehr kurzen Dackelstummelbeinchen BMW-mässig von 0 auf 100 in 0,3 Sekunden beschleunigen kann.

Mompf.

Das wars. Die Amsel war einmal.

Der dicke Dackel kaut zufrieden. Mein Mann schaut...genervt (das tut er oft, wenn´s um mich geht). Und verlässt die Szene mit einem hingerotzten “Oida, und für des geh i aus meiner Videokonferenz?”

Ich zucke mit den Schultern und zünde mir eine Zigarette an. Ja. Irgendwie wieder ein Klassiker.

Unser dickes Dackelchen hat dann übrigens unverdaute Teile der Amsel meinem Mann wieder vor die Füße gekotzt. Ich musste leider arbeiten fahren, er hats wegräumen müssen. Tierärztesuperwoman ist halt systemrelevant. Nur, ich kann halt offensichtlich nicht so mit....Amselretten.

 


Dr. Eva Christina Grafl-Tendl, Bvetmed


ist Tierärztin und eine von vier Tierärzten weltweit (und davon die einzige Frau), die in der Zone Tschernobyl forschen darf, unter anderem zu Seuchenprävention und den Auswirkungen radioaktiver Strahlung auf den Organismus. Sie hat eine Auszeichnung der ukrainischen Regierung für besondere Dienste an der Zone, ist ehrenamtliche Tierärztin im Tierheim Bratislava und ehemaliges Mitglied der Ethik- und Tierschutzkommission an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.


 www.tierordination-penzing.at